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Raconte moi
Erzähl mir
Fotos: Thomas Quartier
Info
zum Stück:
Inhalt von „Raconte moi – erzähl mir“
„Es gibt keine Absurdität, die man nicht natürlich leben würde (…)“
(Imre Kertész in : Roman eines Schicksallosen)
Das Theaterstück erzählt vom normalen Alltag einzelner Personen, die sich zufällig und flüchtig über den Weg laufen. Niemand ahnt, dass Ihnen das gleiche Schicksal bevor steht: Die Deportation in ein Konzentrationslager. Dort durchleben sie gemeinsam Stationen, die ihre Lebenssituation auf unmenschliche Weise dramatisch verändert. Allerdings nicht auf einen Schlag, sondern in der Abfolge der Zeit – Stufe um Stufe wird ihnen das ganze Ausmaß ihrer katastrophalen Lebensumstände bewusst. Und genau dies, nicht alles von Anfang an gewusst zu haben, lässt sie die schrecklichen Ereignisse überleben.
Doch was kommt nach dem Sturm? Wie lässt sich mit den unvorstellbaren Erfahrungen nach der Befreiung weiterleben? Gibt es neben Selbstmord und lebenslanger Opferrolle einen dritten Weg, der die traumatischen Erinnerungen in eine produktive Kraft transformiert, wie ihn der Literaturnobelpreisträger Imre Kertész einfordert?
zu Imre Kertész:
Imre Kertész (* 9. November 1929 in Budapest) ist ein ungarischer Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger 2002.
Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde Kertész 1944 über Auschwitz in das Konzentrationslager Buchenwald und in dessen Außenlager Tröglitz/Rehmsdorf bei Zeitz verschleppt. Seine Erfahrungen dort beschrieb er in dem autobiografischen Buch Roman eines Schicksallosen, im ungarischen Original Sorstalanság. Der Roman wurde 2005 von Lajos Koltai verfilmt.
Imre Kertész lebt mit seiner Frau abwechselnd in Berlin und in Budapest.
„Ich bin die letzte Generation, die eine lebendige Erfahrung von Auschwitz hat. Mit mir wird diese lebendige Erfahrung aussterben. Es bleibt die Erinnerung.“ (Imre Kertész)
„Es gibt keine Absurdität, die man nicht natürlich leben würde.“ (Imre Kertész, „Roman eines Schicksallosen“)
Über das Erinnerungsprojekt
Nach der erfolgreichen französischsprachigen Uraufführung im Pariser Théâtre du Soleil im Oktober 2007 ist das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt nun mit einer deutschsprachige Aufführungsstaffel in Lörrach, Tübingen, Rheinfelden und Berlin zu sehen.
„Ich gehöre zur letzten Generation, die eine lebendige Erfahrung von Auschwitz hat. Mit mir wird die lebende Erfahrung sterben. Es bleibt die Erinnerung.“
(Imre Kertész in: David Dambitsch, Stimmen der Geretteten, Audio Verlag)
Ziel des Erinnerungsprojekts ist die Suche nach einer zeitgemäßen Erinnerungsform an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Auslöser für das Projekt war die Beobachtung, dass die Zahl der Zeitzeugen stetig abnimmt und damit das lebendigste Erinnerungswissen für immer erlischt. Es drängt sich die Frage auf, welche Form der Erinnerung Nachgeborenen dann bleibt.
„Raconte moi – Erzähl mir“ ist die Suche nach einer Erinnerungsform, die die Lehren aus der Vergangenheit für gegenwärtiges Handeln nutzbar macht. Mit wenig Sprache und vielen ausdrucksstarken Bildern suchten die sechs Ensemblemitglieder hierfür eine künstlerische Entsprechung. Neben zahlreichen Erlebnisberichten durch Vorrecherchen, z.T. aber auch persönlichen Erfahrungen orientierte sich das Ensemble insbesondere an dem Wirken von Literaturnobelpreisträger Imre Kertész. Demnach muss das Erzählte berühren, ohne eine durch Betroffenheit ausgelöste Starre zu bewirken.
Grußwort des Schirmherrn Klaus Wowereit
(Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit)
Es geht um unsere Geschichte und vor allem geht es um das gemeinsame Erinnern und das Bewahren des Andenkens jener Generation, die das Unbeschreibliche überlebte und den Mut zu einem Neuanfang fand, der Deutschland und Frankreich heute in fester Freundschaft verbindet. Die Erinnerungskultur mag diesseits und jenseits des Rheins unterschiedlich geprägt sein, wichtig ist, dass man sich erinnert und miteinander über die jeweils unterschiedlichen Erinnerungen spricht, dass man die historischen Erfahrungen an die Jüngeren weiter gibt, damit sie das Gedenken bewahren und um sie vorzubereiten auf die Übernahme der Verantwortung für die Gestaltung einer friedlichen Zukunft.
Genau dazu leistet dieses Projekt einen wichtigen Beitrag. Aufführungen wird es in Deutschland und Frankreich geben, begleitet durch öffentliche Diskussionen und Berichte von Zeitzeugen vor Schulklassen. Bei all dem geht es aber nicht nur um die Erinnerung, um Vergangenes, es geht vor allem um die Zukunft. Unsere Zukunft werden wir Deutsche und Franzosen im geeinten Europa gemeinsam gestalten. „Raconte moi – erzähl mir“ ist auch eine Aufforderung, selbst etwas zu erzählen, Position zu beziehen und unterschiedlich erlebte und wahrgenommene Geschichte mitzunehmen in die gemeinsame europäische Zukunft.
Ich bin sicher, all jene, die die Aufführungen besuchen, werden etwas zu erzählen haben. Etwas, was zum Nachdenken anregt. Damit erreicht das Projekt sein Ziel.
Ich wünsche viel Erfolg!
Klaus Wowereit
Daten
Inspiriert von Imre Kertész
Gruppe
Theater Tempus fugit in Kooperation mit dem Théâtre Lilas en Scène aus Frankreich
Credits
Es spielen:
Stefanie Klimkait
Matthias Meier
François Accard
Karin Maßen
Musik
Christine Kotschi
Produktionsteam
Regie
Carolina Pecheny-Durozier
Bühnenbild
Erik Nussbicker
Lichtdesign
André Kulawik
Produktionsleitung
Thorsten Blank