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Wohl bekomm’s
Fotos: Thomas Quartier
Info
Wohl bekomm’s nach Arnold Wesker
„Für Shakespeare mag die Welt eine Bühne gewesen sein, für mich ist sie eine Küche, wo Menschen kommen und gehen und nicht lange genug bleiben können, um einander zu verstehen, und wo Freundschaft, Liebe und Feindschaft ebenso schnell vergessen werden, wie sie entstehen.“
Arnold Wesker
Wesker war eine zeitlang Konditor. Er kennt den Schauplatz seines Stücks, die Küche eines riesigen Speiselokals, den zermürbenden Tag der Küchengehilfen, Kellnerinnen, der Köche für Gebratenes, Fisch, Suppen, Gegrilltes, das Durcheinander der Stimmen, das Inferno der klappernden Teller, der Kommandos und Flüche.
Der Schauplatz Küche prägt die Hoffnungen und Ängste der Personen, ihre Betriebsamkeit ebenso wie ihre alltäglichen Konflikte.
Schlechte Laune, Wut, Hektik und Nervosität machen sich schnell breit und es gibt wenige Momente um abzuschalten, sich auszusprechen, angestaute Aggressionen zu besänftigen. Häufig entladen sich diese. Bestens funktioniert dabei die Hierarchie: Druck wird nach unten weitergegeben.
Es gibt ja auch genug „Ungelernte“ und angelerntes Personal, das dies zu spüren bekommt. Aber sollen sie doch froh sein, angesichts Millionen Arbeitsloser überhaupt eine Arbeit zu haben.
Peter, zuständig für Kochfisch und Saucen, ist laut, aggressiv, übertrieben lustig, aber gutmütig. Er liebt Monika, eine der Bedienungen. Seine rasende Eifersucht überträgt er auf alle potentiellen Gäste. Für seine Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit findet er ihr gegenüber im Alltagsbetrieb keine Sprache. Wutausbrüche und Rage setzen die Liebe immer wieder auf’s Spiel.
Der Konflikt spitzt sich zu, die Mitköche- und Köchinnen werden Zeugen eines gewaltsamen Spiels und können nichts daran ändern. Sie sind mit sich selbst zu beschäftigt.
Ursina träumt davon etwas Eigenes aufzubauen, sich selbständig zu machen. Nicht als Köchin – sondern in der Elektronikbranche. Sie hat aber keine Ausbildung, keine Qualifikation und kein Geld dafür. Darüber hinaus ist sie ein Mädchen…
Auch Karin’s Traum ist klein. Sie hat eben erst in dieser Küche angefangen und hat nur einen Wunsch: Zu schlafen – nur zu schlafen und alles zu vergessen.
Frau Scheurer, die Chefin wird ihr dabei einen Strich durch die Rechnung machen. Der Betrieb muss laufen, und das Personal muss funktionieren. Reibungslos.
Menschliche Seiten, Schicksale blitzen auf.
Auch der Zuschauer lernt die Personen von Außen kennen. Der Blick auf den Menschen selbst ist verwehrt, durch die Routine, den Alltag und die Gleichzeitigkeit der Geschehnisse. Einen Tag lang begleitet der Zuschauer die Protagonisten. Alles beginnt frühmorgens…
Zur Arbeitsweise
Die Eigenbearbeitung der Stückvorlage „Die Küche“ von Arnold Wesker, ließ den SpielerInnen die Möglichkeit offen, eigene Schwerpunkte zu setzen.
Aus der Gruppe selbst (15 SpielerInnen) jobben viele als Bedienungen, helfen in Küchen, beim Ausschank. Ein Spieler der letztjährigen Schultheatergruppe hatte einen Kochlehre angefangen… seine Erfahrungen waren für die Inszenierung und die Findung der Handlungsabläufe und Kochrituale von großer Bedeutung.
Stellte Wesker die Arbeitslosigkeit angesichts des Zustroms von Ausländern und Asylanten und die daraus resultierende Ausländerfeindlichkeit in den Mittelpunkt seines Küchengeschehens, so setzte die Gruppe den Schwerpunkt bei der Oberflächlichkeit der Beziehungen, der Hilflosigkeit im Umgang mit eigenen Wünschen, Ängsten und Aggressionen und denen der anderen.
Das Innehalten, Sich-Selbst-Finden, der Wunsch nach Freundschaft wird dem atemlosen Funktionieren geopfert. Die Freizeit scheint wie eine Verheißung, aber das Personal ist müde…
Die Handlungsabläufe beim Kochen, das ständige Kommen und Gehen der Bedienungen, das Einsammeln und Wegbringen der Teller, die Kommandos und die Gesprächsfetzen untereinander erforderten von den SpielerInnen eine große Präzision und eine gute Portion Geduld mit sich und den anderen.
Die ritualisierten Formen werden streckenweise wie eine Rhythmuskomposition behandelt.
Kochlöffel, Schneebesen, Hackbeil, Küchenmesser, Teigschaber, Mehlsiebe machen Musik.
Stomp lässt grüßen! Das hat allen großen Spaß gemacht. Vielen Dank Frau Ute Schmitz!
Das Timing zu halten, die Sprache und den Text rhythmisch zu setzen, das war ein Brocken. Wie im Stück selbst hat unsere Küche uns auch vereinnahmt: Es gab müde Beine, leere Köpfe, Herausforderungen an die Stimme und an die Konzentration. Küchentheater – live!
Die Gruppe hat sich dem bewusst gestellt!
Danke den Ex-SpielerInnen der Schultheater AG und den Jugendtheaterspielerlnnen von Tempus fugit für Probenbesuche, Probenhilfe, für Kritik und aufbauende Einzelübungen.
Die gemeinsame Arbeit war lebendig und intensiv. Weiter so!!!
Karin Maßen
Ein Zitat aus Arnold Wesker: Die Küche
(Suhrkamp Verlag)
Das Küchenpersonal hasst instinktiv das Servicepersonal, und alle hassen den Gast. Er ist der persönliche Feind.
Daten
nach Arnold Wesker
Gruppe
Schultheater der Hauswirtschaftlichen & Kaufmännischen Berufsschule Lörrach
Credits
Schauspieler
André Kulawik
Simone Uhrmeister
Patrick Lauk
David Voges
Benjamin Kraus
Andrea Klimkait
Johann Gudmundsson
Nina Carle
Silke Kümmerling
Suhila Megharia
Teresa Albiez
Kathrin Zeiler
Jennifer Neuschütz
Nicola Köhler
Katharina Lenz
Helena Köpnick
Ines Probst
Produktionsteam
Regie
Karin Maßen
Regieassistenz
Matthias Meier
Assistenz und Kontaktlehrerin
Isolde Braig
Rhythmik und Percussion- Konzeption
Ute Schmitz
Assistenz Küchenrituale
Philipp Schmidt
Textbearbeitung
Karin Maßen und Gruppe
Bühnenbau
Matthias Meier
Lichtgestaltung
André Kulawik
Lichttechnik
Marco Reiff
Programm- und Plakatgestaltung
Britta Rechlin
Probenbegleitung
Bernhard Greif
Johannes Maßen
Andrea Casabianchi
Lichtausleihe
Martin Storz